The Eagle Has Landed

Nun kann der entschlossene LEGO® Kreateur zum Mond fliegen und dort landen! Und zwar nicht wie so oft in der LEGO-Vergangenheit mit einem Fantasieraumschiff – nein, mit der echten Apollo 11 Mondlandefähre, dem «Lunar Excursion Module», kurz LEM. Das Wort «Excursion» hat die NASA damals dann irgendwann weggelassen – das klinge zu fest nach «Schulexkursion» war die Meinung. Für Schulkinder (und interessierte Eltern) kann das LEGO Set «NASA Apollo 11 Lunar Lander» allerdings schon eine Exkursion in eine andere Welt sein – besonders wenn man die Exkursion im Internet noch etwas weiterführt. Startfreigabe erteilt!

Foto des LEGO Sets «NASA Apollo 11 Lunar Lander», Schachtel mit Anleitung.
Das LEGO Set «NASA Apollo 11 Lunar Lander»

Die Verpackung schreckt zunächst mit dem Altershinweis von «16+» etwas ab – ob das ein elfjähriges Kind wohl auch zusammenbauen kann? Aber für die damaligen Ingenieure und Astronauten war das Bauen und Fliegen ja sicher auch eine ordentliche Herausforderung. Der grosse Bogen mit den vielen Aufklebern lässt vermuten, dass das Anspruchsvollste (wie so oft) das exakte Positionieren der Sticker sein wird. Gas, Wasser, Strom muss zum Glück nicht angeschlossen werden – es kann also beim Bau des Raumschiffs nicht viel schief gehen. Berichte im Internet lassen darauf schliessen, dass das Vehikel in 2 bis 3 Stunden zusammengebaut werden kann. Am Schluss müsste es dann ungefähr so aussehen:

Fotografie der Mondlandefähre und des Solar Wind Composition Experiment. Quelle: NASA
Landefähre und Solar Wind Composition Experiment. Bild: NASA

Aber wie realistisch ist das LEGO Set? Bekommen wir nur Bauspass oder kann man irgendetwas Ernsthaftes lernen? Immerhin hat die Anleitung zum Set ein paar Seiten Informationen zum «Lunar Lander» parat – viel ist es nicht, aber immerhin. Schnell ist klar, dass es sich lohnt, im Internet nach mehr Information zu suchen – ein guter Anfang ist wie immer Wikipedia.

Lunar Lander: LEGO vs. Realität

Hat LEGO an alle lebenswichtigen Aggregate, Düsen und Fenster gedacht? Das prüfen wir nach! Die Abbildung auf der Verpackung sieht jedenfalls vielversprechend aus: Vier Beine, ein grosses Triebwerk, viele kleine Steuerdüsen, eine Leiter, ein paar Antennenschüsseln und noch einiges mehr. Ein guter Anhaltspunkt für die Realitätsnähe ist die folgende Illustration der Landefähre des Marshall Space Flight Centers (MSFC) der NASA:

Darstellung des Lunar (Excursion) Module. Gut sichtbar dargestellt sind die verschiedenen Tanks. Bildquelle: NASA.
Lunar Module, Bild: NASA

Im Rahmen der ersten Bauetappe realisiert der junge LEGO Ingenieur die Abstiegsstufe des Raumschiffs, inklusive jeweils zwei Tanks mit dem Treibstoff (Aerozin 50) und dem Oxidator (Stickstofftetroxid) – genau so, wie es sich gehört. Dabei halten wir fest, dass das Raumschiff im Vakuum fliegt und deshalb keine Luft zur Verbrennung zur Verfügung steht – die «Luft» (Oxidator) muss man also gezwungenermassen selbst mitbringen. 

Foto des LEGO Sets «NASA Apollo 11 Lunar Lander», die Abstiegsstufe im Bau.
Die Abstiegsstufe der Mondlandefähre im Bau

Auch das «Modular Equipment Stowage Assembly» (MESA) mit der Fernsehkamera wird an dieser Stelle zusammengebaut – schön klappbar, wie in echt. Die Abstiegsstufe verbleibt übrigens nach der Landung auf dem Mond – dort stehen noch heute sechs Stück im Mondstaub.

Apollo 11 mit Gift in den Tanks

Eigentlich müssten jetzt noch Warnhinweise aufgeklebt werden, denn der Treibstoff ist hypergol, d.h. die beiden Komponenten zünden spontan, wenn sie zusammengebracht werden. Das wäre sicher ein schönes Experiment für einen Experimentierkasten – für Heimgebrauch aber wohl etwas zu gefährlich. Was da in den Tanks steckt ist aber nicht nur explosiv, sondern enthält Hydrazin – eine hochgiftige Substanz. Zum Glück wissen die Leute bei der NASA allerdings, dass mit Hydrazin nicht zu spassen ist und arbeiten damit nur im Vollschutzanzug:

Techniker beim Betanken einer Raumsonde mit giftigem Hydrazin. Bild: NASA
Techniker beim Betanken einer Raumsonde mit giftigem Hydrazin. Bild: NASA

Weiter geht es mit dem Bau der Aufstiegsstufe – und gebt euch Mühe beim Zusammenbau, da dieser Teil des Raumschiffs die Astronauten sicher vom Mond zum Mutterschiff zurückfliegen muss! In Wirklichkeit sieht aber gerade die Aufstiegsstufe aus wie «Fröhliches Basteln mit Kindern».

Ein Raumschiff aus Goldfolie und Klebband

Der Eindruck täusch jedoch, denn unter der goldfarbenen «Alufolie» (tatsächlich eine mehrschichtige Plasticfolie, die vor allem dem Wärmemanagement dient), den verbeulten Paneelen (die sind für den Schutz vor Mikrometeoriten) und viel Klebband verbirgt sich ein äusserst kompliziertes und stabiles Fluggerät. 

Foto des LEGO Sets «NASA Apollo 11 Lunar Lander». Diverse Folien, bereit zum aufkleben.
«Goldfolie» und Cockpit wird geklebt

In der Aufstiegsstufe befindet sich das Cockpit mit Druckkabine, ohne die das Leben im Vakuum des Weltraums/Monds ungemütlich wäre. Ausserdem beherbergt die Aufstiegsstufe die Computer, Kommunikations- und Navigationseinrichtungen. Den LEGO Realitätscheck kann man sehr gut mit dem «Lunar Module Vehicle Familiarization Manual». Es lohnt sich an dieser Stelle, einen kurzen Baustopp einzulegen, das Dokument mit den jungen LEGO Bauern durchzublättern und ganz einfach zu staunen: Die Komplexität dieser Flugmaschine ist unerwartet hoch und es braucht offenbar sehr viel technisches Zeugs, um sicher zum Mond fliegen zu können. 

Zeichnung der Lunar Module Aufstiegsstufe ohne Verkleidung. Bild: NASA
Lunar Module Aufstiegsstufe ohne Verkleidung. Bild: NASA

Erfolgreiche Konstrukteure halten schon nach kurzer Bauzeit die fertige Aufstiegsstufe in den Händen; die beiden LEGO Astronauten dürfen der Maschine nun ihr Leben anvertrauen. Da die Abstiegsstufe mitsamt Triebwerk auf dem Mond zurückbleibt, brauchen wir nun auch ein Raketentriebwerk für die Rückreise: ist vorhanden, checked! Steuerdüsen, 16 Stück, vorhanden, checked!

Foto der fertiggebauten Aufstiegsstufe der Mondlandefähre des LEGO Sets «NASA Apollo 11 Lunar Lander».
Die fertiggebaute Aufstiegsstufe der Mondlandefähre

Für Tierfreunde: Sieht das Teil nicht wie ein Hamsterkopf aus? Vorder- und Rückseite sind ausklinkbar und lassen sich zum Spielen und zur Inspektion abnehmen. Doch, Schockschwerenot! Im Cockpit fehlt der Apollo Guidance Computer (AGC)! 

Ohne Computer geht beim Lunar Lander nichts!

Da werden die LEGO Astronauten aber einige Mühe haben ihr Abenteuer erfolgreich zu bestehen -oder zu überleben! Dieses Manko ist insofern etwas erstaunlich, da dem AGC in der LEGO Anleitung sogar ein eigener Textabschnitt gewidmet ist. Sitze finden wir auch keine, aber das ist nun wieder richtig; die echten Astronauten mussten zum Fliegen tatsächlich stehen.

Foto vom Innern des Cockpits der Mondlandefähre des LEGO Sets «NASA Apollo 11 Lunar Lander».
Das Cockpit von innen

Die Anleitung weiss zum AGC: «provided the guidance, navigation, and control of the spacecraft. The computer’s performance was comparable to first-generation home computers available in the late 1970s». Ist dem so? Der AGC war mit 2 MHz getaktet und bestand aus ungefähr 10’000 Transistoren. Zum Vergleich: Der MOS 6502 Prozessor im Apple II Computer von 1977 hatte 4500 Transistoren und lief mit 1 MHz. Da man damit keine 3D Grafiken und dergleichen rechnen musste, reichte diese Rechenleistung damals tatsächlich für komplizierte Navigations- und Steuerungsaufgaben. Und heute? Die liebsten Spielzeuge unserer Kinder brauchen etwas mehr: Der A12 Prozessor aktueller Apple iPhones und iPads hat 10 Milliarden Transistoren und läuft mit 2.5 GHz. Die Rechenleistung («Rechnungen pro Sekunde») des A12 dürfte damit sagenhafte 10 Millionen Mal höher liegen wie die des Apollo Computers! Touchscreen gab’s auch nicht – eine einfache Tastatur, ein paar Lämpchen und einige Displays mit Zahlen mussten reichen:

Zeichnung der Apollo Guidance Computer Bedieneinheit («DSKY») im Cockpit der Mondlandefähre. Bildquelle: NASA
Apollo Guidance Computer DSKY. Bild: NASA

Genau auf diesen Displays wurde bei Apollo 11 im Endanflug auch der berühmte Alarm «1201» anzeigt, was fast zum Abbruch der Mission geführt hat. Gerade die junge LEGO Konstrukteurin könnte es interessieren, dass eine erstaunlich junge Frau, Margaret Hamilton, bei der Entwicklung der AGC Software eine zentrale Rolle gespielt hat. Legendär ist das Bild mit Hamilton neben dem Ausdruck der AGC Software. 

Lunar Lander: 1087 LEGO Steine später

Nach gut drei Stunden konzentrierter Arbeit haben wir es endlich geschafft: Die Mondlandefähre ist in Kinderheimarbeit komplett zusammengebaut und und steht auf dem LEGO Mondboden – The Eagle Has Landed! Die echte Maschine wurde von Erwachsenen bei Grumman in Bethpage, New York gebaut. Und sie war auch etwas teurer als unser 109 Franken LEGO Modell: Entwicklung und Bau von 15 flugfähigen Landefähren hat den amerikanischen Steuerzahler (inflationsbereinigt) damals ca. 20 Milliarden Dollar gekostet – also über eine Milliarde Dollar pro Stück! Definitiv viel Geld für etwas, das insgesamt nur wenige Stunden fliegt!

Foto der fertig gebauten Mondlandefähre des LEGO Sets «NASA Apollo 11 Lunar Lander»
Bereit für die Landung auf dem Mond!

Gerne würde man nun mit der Jungmannschaft einen Ausflug ins Museum machen und sich dieses sündhaft teure Wunderwerk der Technik im Detail anschauen – doch das ist leider nicht einfach. Es gibt zwei Probleme: sechs Raumschiffe sind auf dem Mond verblieben, vier weitere wurden im Weltraum geflogen und sind nicht zurückgekehrt. Auf der Erde existieren heute nur noch drei und die befinden sich leider allesamt in Amerikanischen Museen, zu weit weg für einen Samstagnachmittagsausflug – seufz…  

Foto vom Apollo 11 Mockups im Technik Museum Speyer: Mondlandefähre, Mondauto, Mondanzug.
Apollo 11 Mockups im Technik Museum Speyer

Zum Glück gibt es aber auch einige gute Mockups – sehr realistisch ist z.B. das im Technik Museum Speyer – hier können sich Kinder selbst ein Bild von Landefähre, Mondauto und Raumanzug machen und feststellen, dass die Landefähre erstaunlich gross ist. 

Fazit

Ob Weltraumneuling oder Experte, das LEGO Set «NASA Apollo 11 Lunar Lander» überzeugt mit Realismus und Liebe zum Detail. Die 1087 Steinen garantieren ein Bauvergnügen und einen guten Einblick in den Aufbau und die Geschichte der Mondlandeführe des Apollo Programms. Besonders spannend wird es, wenn man parallel zum Bauen im grossen online Fundus der NASA nach Bildern und Dokumenten wühlt. 

Und jetzt?

Kaufen kann man das Set unter anderem direkt bei LEGO

Lars Joe Hylding, der LEGO Designer des Lunar Landers erklärt sein Modell (auf Englisch)

Doku Mondlandefähre «wie ein Fluggerät aus der Augsburger Puppenkiste» 

YouTube mit «Was befindet sich in der Apollo-Mondlandefähre?» (auf Englisch)

Heise Online Artikel «Robuster Begleiter zum Mond: Der Apollo Guidance Computer»

NZZ Artikel «Was die Software von Apollo 11 über die Programmiererin hinter der Mondmission verrät» 

LEGO® ist eine Marke der LEGO Gruppe. Der vorliegende Blog wird nicht von der LEGO Gruppe gesponsert, genehmigt oder unterstützt.