Unheimliches Leuchten

Früher war alles besser – oder etwa doch nicht? Chemie, also das kunstvolle Zusammenschütten verschiedener Wässerchen und Pülverchen, übt auf viele Kinder eine gewisse Faszination aus; schliesslich knallt, brennt und schäumt es dabei oft und es passieren wunderliche Dinge. Wikipedia sieht dies allerdings nüchterner und definiert Chemie mit «eine Naturwissenschaft, die sich mit dem Aufbau, den Eigenschaften und der Umwandlung von chemischen Stoffen beschäftigt». Nun gut, heute wollen wir uns mit interessanten Formen der «Umwandlung» beschäftigen – der Experimentierkasten «Chemisches Leuchten» von Kosmos soll uns dabei helfen. Die seltsame Substanz «Luminol» lernen wir dabei in einem Versuch auch kennen.

Abbildung des Buchs «Wege in die Physik+Chemie» von Klett+Balmer mit Foto von leuchtendem Luminol.
Bilder: Wege in die Physik+ Chemie, Verlag Klett & Balmer, Zug

Leider hatte ich als Kind nicht das Glück Besitzer eines Chemiebaukastens zu sein – die waren richtig teuer und mutmasslich gefährlich. In unserer Nachbarschaft verfügte damals einzig der Sohn eines Chemikers über ein solches Spielzeug. Mir blieb da leider nur mein Buch «Wege in die Physik+Chemie». Immerhin, besser als nichts und ein paar Experimente waren darin auch beschrieben. Das Buch war allerdings eher für den Schulunterricht an der Oberstufe gedacht und ging davon aus, dass man über ein gut sortiertes Chemielabor verfügt und einem eine fachkundige Lehrperson zu Seite steht. 

Ein vielversprechendes Experiment

Beim Durchforschen des Buches nach praktikablen Experimenten stolperte ich damals immer wieder über das Bild mit dem «Luminol» Versuch. Dieser versprach als Resultat «Die Reaktionslösung leuchtet. Die Erwärmung ist gering.» und zeigte einen Glaskolben gefüllt mit einer blaugrünen, unheimlich leuchtenden Flüssigkeit – eindeutig das coolste Experiment im ganzen Buch!

Da mir damals weder Chemielabor noch Lehrperson zur Verfügung standen und ich mir auch nicht vorstellen konnte, wo man «Luminol» und «Blutlaugensalz» herbekommt, blieb es beim blossen Betrachten des Bildes. Auch später im Teenageralter waren Chemolumineszenz und Luminol im kopflastigen und eher langweiligen Chemieunterricht bedauerlicherweise kein Thema. Das war früher. Und heute? Heute ist alles besser! 

Fotografie des Experimentierkastens «Chemisches Leuchten» von Kosmos. Abgebildet ist auch ein Versuch mit einem Reagenzglas mit Luminol.
Der «Chemisches Leuchten» Experimentierkasten von Kosmos, ab 10 Jahren

Für Interessierte, die nicht sicher sind, ob sie in das Gebiet der Chemie überhaupt vorstossen wollen, gibt es heutzutage diverse kleine Experimentierkästen mit einem thematischen Schwerpunkt – und die gibt es für relativ wenig Geld. Da wir nun endlich das Geheimnis des Luminols ergründen wollen und über mehr Taschengeld wie früher verfügen, fällt die Wahl auf den Kasten «Chemisches Leuchten» von KOSMOS. Der ist für 20 bis 30 Franken/Euro zu haben und lockt mit Luminol und UV-Licht. Das Zielalter wird mit «10+» angegeben, was sich im Verlauf des Experimentierens als sinnvoll herausstellt. Allerdings dürften auch jüngere Geschwister Freude beim Zuschauen oder Mitmachen haben. 

Unboxing Time!

Unboxing Time! Zunächst geht’s ans bei Kindern allseits beliebte Auspacken der Schachtel. Wie so oft bei Experimentierkästen ist viel Luft drin, aber zumindest die drei Röhrchen mit Chemikalien und die UV-Taschenlampe machen neugierig. Auch eine gut gemachte 50-seitige Anleitung liegt bei – Sicherheitshinweise inklusive.

Fotografie des Unboxings oder Inhalts des Experimentierkastens «Chemisches Leuchten» von Kosmos. Chemikalien, veschiedene Plasticbecher und dergleichen, eine Anleitung und eine Schutzbrille.
Unboxing: Inhalt des Experimentierkastens «Chemisches Leuchten»

«Tief durchatmen und nicht gleich zum Luminolversuch übergehen» rede ich mir ein. Zum Glück zählen zu den Versuchen auf den ersten Seiten solche mit der UV-Lampe. Mit der machen wir uns auf die Jagd nach fluoreszierenden Substanzen. Wir folgen der Anleitung und finden treiben Tonic Water (Chinin) und Currypulver auf – beides leuchtet unter dem bläulichen Licht der UV-Lampe unerwartet hell auf. Ein erster Erfolg! Um phosphoreszierende Substanzen kümmern wir uns anschliessend.

Fotografie von leuchtendem Topic Water, angeregt durch das UV-Licht einer LED-Lampe.
Licht der UV-Lampe regt das Chinin im Tonic Water zum Leuchten an

Was leuchtet noch unter UV-Licht? Die erste Adresse für fluoreszierende Substanzen ist selbstredend der Leuchtmarker. Gerade auf gelben Klebezetteln ist seine gelbe Schrift bei normalem Licht kaum zu lesen, leuchtet uns aber bei UV-Licht kräftig entgegen.

Spürhund mit UV-Lampe

Anschliessend kommt beim nächtlichen Aufspüren von minimsten Resten von Currypulver in der Spüle bei den Kindern echtes Detektiv-Feeling auf. Etwas später widmen wir uns den beigepackten phosphoreszierenden Kunststoffperlen – diese Leuchten im Gegensatz zu den fluoreszierenden Substanzen nach UV-Bestrahlung noch minutenlang nach – ob man damit wohl eine leuchtende Perlenkette anfertigen könnte?

Fotografie von Leuchtmarker-Schrift auf einem Post-it Zettel. Bei normalem Licht kaum sichtbar, leuchtet es unter UV-Licht hell auf.
Die beiliegende UV-Lampe in Aktion

Aber was ist «Fluoreszenz» überhaupt? Weshalb leuchtet die Tinte des Leuchtmarkers so hell? Folgendes passiert: Unsere Lampe strahlt neben schwachem dunkelblauem Licht, das wir sehen können, vor allem unsichtbares UV-Licht ab. Vorsicht liebe Kinder und Eltern! Gerade weil das eigentliche UV-Licht unsichtbar ist, kann es unsere Augen gefährden. Deshalb liegen auch eine Schutzbrille und zahlreiche Sicherheitshinweise bei. Wir sehen Licht mit einer Wellenlänge von ungefähr 380 (Blauviolett) bis 780 Nanometer (Dunkelrot), darüber hinaus geht aber nichts: Weder ultraviolettes (UV) Licht noch infrarotes (IR) Licht nehmen wir wahr. 

Darstellung des Spektrums von sichtbarem Licht zwischen 400 nm (Blauviolett) und 700 nm (Tiefrot).
Sichtbares Licht, Spektrum von 400 nm (Blauviolett) bis 700 nm (Tiefrot)

Die seltsamen, fluoreszierenden Substanzen in unserem Experimentierkasten machen nun nichts anderes als unsichtbares Ultraviolett in sichtbares weisses Licht umzuwandeln. Damit wird UV-Licht indirekt sichtbar. 

Weiter geht es mit der Anleitung und dem Experimentieren. Nachdem wir auch noch die beiliegenden Kunststoffperlen mit Sonnencreme behandelt haben, um den UV-Schutz zu testen, sind wir nun wild entschlossen den Luminolversuch durchzuführen.

Magisches Luminol

Beim Durchchecken unserer Giftküche stellt sich allerdings heraus, dass für die spektakuläreren Versuche ein Fläschchen Wasserstoffperoxid separat gekauft werden muss, denn «wegen gesetzlicher Bestimmungen und der begrenzten Haltbarkeit darf Wasserstoffperoxid nicht in Chemie-Experimentierkästen mitgeliefert werden», meint die Anleitung dazu. Ein kleiner Dämpfer, besonders wenn man wie wir an unserem ersten Versuchsnachmittag gerade in einem abgelegenen Dorf im Tessin das Leben geniesst. Zur Freude der jungen Chemiker hatte die örtliche Apotheke aber glücklicherweise das Wässerchen vorrätig. Damit ist nun alles vorhanden, um den Versuch «Magisches Licht» durchführen zu können.  

Fotografie des Experiments mit Luminol mit dem Experimentierkasten «Chemisches Leuchten» von Kosmos. Auch abgebildet ist das Fläschchen mit Wasserstoffperoxid, das separat gekauft werden muss.
Die chemische Ausgangslage für «Magisches Licht». Ebenfalls im Bild: Wasserstoffperoxid

Es scheint, dass Experimentierkästen früher etwas mutiger zusammengestellt wurden – zumindest in Amerika. In den 1950er Jahren konnte man dort (mit dem nötigen Kleingeld) den berühmt-berüchtigten Gilbert U-238 «Atomic Energy Lab» Kasten kaufen: Der sah nicht nur unheimlich aus, sondern war es auch – radioaktives Material inklusive. Was ist da schon ein Fläschchen Wasserstoffperoxid im Vergleich!

Fotografie des berühmt-berüchtigten Gilbert U-238 «Atomic Energy Lab» Experimentierkastens, aufgenommen im Museum of Science and Industry, Chicago.
Gilbert U-238 Atomic Energy Lab im Museum of Science and Industry, Chicago

Wir folgen nun der Anleitung und mischen Schritt für Schritt aus Luminol, Natriumkarbonat, Kaliumhexacyan(id)oferrat, auch bekannt als Rotes Blutlaugensalz, Wasser und Wasserstoffperoxid unsere magische Flüssigkeit – ein wahres Feuerwerk an Fremdwörtern bis zum Ziel! Im abgedunkelten Raum können wir dann das unheimliche Wunder der Chemilumineszenz bewundern und ein Foto zum Beweis des Erfolgs schiessen. 

Fotografie der bläulich leuchtenden Lösung mit Luminol. Aus dem Experimentierkasten «Chemisches Leuchten» von Kosmos.
Erfolg – unsere magische Lösung leuchtet!

An dieser Stelle können junge Chemikerinnen und Chemiker auch gerne einen Wettbewerb machen, wer «Kaliumhexacyanofferat» schneller (und fehlerfrei!) aufsagen kann. Das Aufsagen geht besser, wenn man die einzelnen Wortteile versteht: Kalium, ein Alkalimetall; «hexa» für «6», nicht für Hexe; «cyanido» ist eine längere Geschichte, leitet sich aber letztendlich vom griechischen «kyanos» für «blau» ab; «ferrat» eine chemische Verbindung mit Eisen (aus lateinisch «ferrum»).

Blut!

Weiter geht’s zur Krönung unseres chemischen Abenteuers – dem Nachweis von Blut. Dazu benötigt man ein saftiges Stück Fleisch – ein weniger Saftiges geht auch. Tofu geht nicht. Auf jeden Fall braucht man ein wenig Blut und beschmiert damit ein Stück Krepppapier. Ein weiteres Mal setzen wir eine Lösung mit dem Luminol an – geschüttelt, nicht gerührt. Selbstverständlich alles fachgerecht mit Gummihandschuhen und Schutzbrille.

Fotografie des Experiments zum Nachweis von Blut. Aus dem Experimentierkasten «Chemisches Leuchten» von Kosmos.
Das Finale: Der Nachweis von Blut
Fotografie des Experiments zum Nachweis von Blut. Aus dem Experimentierkasten «Chemisches Leuchten» von Kosmos.
Krepppapier mit Blut – bereit zur Analyse

Wie in der Anleitung empfohlen, schalten wir im Dunkeln das Rotlicht an. Die Luminollösung leuchtet nun bläulich unheimlich und wir träufeln ein wenig davon über unsere Blutprobe. Darauf beginnt diese nun dort wo Blutspuren sind geheimnisvoll zu leuchten. Das Experiment ist geglückt und wir fühlen uns wie waschechte Detektive. Ob die drei ??? das wohl auch können? Jetzt gilt es nur noch den Gärtner zu verhaften, denn der ist bekanntlich immer der Mörder – aber darüber berichten wir in einem anderen Blogeintrag.

Fotografie des Experiments zum Nachweis von Blut. Die Blutprobe leuchtet schwach blau. Aus dem Experimentierkasten «Chemisches Leuchten» von Kosmos.
Überführt! Die Blutspuren leuchten auf!

Fazit

Fluoreszenz, Phosphoreszenz, Chemolumineszenz sind furchtbar komplizierte Wörter, das sollte aber niemanden vom Nachforschen oder Experimentieren abhalten. Die Versuche mit Luminol, Blut und UV-Licht sind leicht und schnell durchführbar und scheinen auf der Beliebtheitsskala der Kinder ganz oben zu rangieren – Wow-Effekt garantiert. Der Experimentierkasten «Chemisches Leuchten von Kosmos beschränkt sich auf die phänomenologische Ebene, wer «echten» Chemieunterricht erwartet wird etwas enttäuscht – aber das ist sicher auch nicht der Anspruch für einen Kasten für 10-Jährige.

Und jetzt?

Den Werbefilm zum Experimentierkasten anschauen:

Sehen, wie Luminol mit der grossen Kelle angerührt wird:

Mehr über den Gilbert U-238 Experimentierkasten erfahren, z.B. hier.

Eine UV-Taschenlampe kaufen, gibts z.B. hier.

Den Experimentierkasten kaufen, gibts z.B. hier.